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TECHNIK Quo vadis, PSO?

TECHNIK Quo vadis, PSO? Vor knapp vier Jahren, im September 2015, fand in Stuttgart der Kick-off für die ISO 12647-2:2013 statt. Dort wurden nach zähem Ringen neue Standard-Druckbedingungen für den Offsetdruck präsentiert - mit vielen praxisgerechten Verbesserungen. Doch welche Durchdringung hat der neue Standard anno 2019? Eine Bestandsaufnahme. Fotos: bvdm Die Standardisierung im Offsetdruck ermöglicht eine geschlossene Prozesskette von der Datenerzeugung, über die Drucksimulation bis hin zum Druck. Die interdisziplinären Abläufe bis zum fertigen Druckprodukt lassen sich erst durch die Hilfsmittel des ProzessStandards Offsetdruck (PSO) elegant umsetzen. Der Wert des PSO für die Branche kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Grundlage dafür ist die ISO 12647, die Norm, die die Herstellungsprozesse im Offsetdruck beschreibt. In einem engen Verwandtschaftsverhältnis sind die Normen ISO 3664:2009 (Standardbeleuchtung) und ISO 13655:2009 (Messtechnik) zu sehen. Über lange Zeit funktionierten die alten Standards hinreichend gut - bis die Sprengkraft der optischen Aufheller in den eingesetzten Substraten so groß wurde, dass mit der normierten Standardbeleuchtung und Messtechnik nicht mehr zuverlässig abgemustert werden konnte. Drucker klagten zunehmend über eklatante Unterschiede zwischen der messtechnischen und visuellen Bewertung von Druckerzeugnissen oder über die schlechte Proof-zu-Print Übereinstimmung. Es begann eine über Jahre andauernde Hängepartie, die erst mit der Erarbeitung und Veröffentlichung der neuen Norm und neuer Standard-Druckbedingungen beendet wurde. Beendet? Nicht ganz, denn mit der Schaffung der Grundlagen allein ist es nicht getan. Es dauert seine Zeit, bis neue Standards den Markt durchdringen. Die neuen Druckbedingungen sind seit knapp vier Jahren verfügbar, werden von Datenerzeugern jedoch noch immer zögerlich angewendet. Und bei vielen Produzenten scheint der Leidensdruck erstaunlicherweise doch nicht groß genug zu sein, vom alten auf den neuen Standard umzusatteln. Versuchen wir uns also an einer Analyse und fangen auf Datenerzeugerseite an. Dort herrscht nicht selten Unwissenheit über druckspezifische Prozesse und Standards. Und geben wir es ruhig zu: die Erzeugung sauberer Druckdaten ist auch nicht ganz trivial. Immerhin reden wir von Dutzenden Standard-Druckbedingungen, summiert man die Alten und Neuen auf. Der de-facto Standard für Datenerzeuger heißt Adobe. Und Adobe implementiert die Standard-Profile bisher leider nicht in deren Softwareprodukten. Als Druckerei darf man sich glücklich schätzen, eine PDF/X-konforme Datei vom Kunden zu erhalten, die mit dem Adobe-Hausprofil angelegt ist. Solange die vielen InDesign-Anwender da draußen erst umständlich ihre Farbeinstellungen optimieren müssen, um tatsächlich standardkonforme Druckdaten zu erzeugen, wird sich an diesem bedauerlichen Zustand kaum etwas ändern. Und seit dem Kick-off der neuen Druckstandards hat es immerhin drei große Updates für die Adobe-Tools gegeben, die eine Verbesserung hätten bewirken können. Sie können dabei helfen, dass dieses Thema beim nächsten großen Update nicht wieder ausgelassen wird! Für Adobe InDesign existiert ein Produktverbesserungsportal, wo Sie Ihre Stimme abgeben können, wenn auch Sie sich eine Integration der gültigen Druckstandards in die Farbeinstellungen wünschen. Folgen Sie dem Link https:// bit.ly/2yagqjB oder scannen Sie den QR-Code, um Ihre Stimme abzugeben oder einen Kommentar hinzuzufügen. Je mehr Stimmen der Beitrag sammelt, je weniger wird sich Adobe dieser “Uservoice” entziehen können. Auf Seite der Druckereien hingegen werden die Vorteile des neuen Standards in aller Regel erkannt. Die neuen Profile charakterisieren die üblicherweise eingesetzten Papiere viel besser, insbesondere die Ungestrichenen. Durch die neuen Proofsubstrate, die sich an den Standards ausrichten, ist überdies endlich eine gute Übereinstimmung mit den Auflagenpapieren möglich. Eine häufig artikulierte Kritik lautet aber, man müsse die komplette Messtechnik austauschen. Das ist nicht zutreffend. Ein Austausch der Messtechnik ist nur dort geboten, wo optisch aufgehellte Papiere charakterisiert werden sollen. Oder dort, wo Messdaten in Beziehung zueinander gesetzt werden müssen, die ebenfalls nach der neuen Messbedingung M1 erzeugt wurden, bspw. bei der Beurteilung von Contract Proofs im Vergleich zu einer neuen Standard-Druckbedingung. Für die Messtechnik zur fortlaufenden Prozesskontrolle hingegen spielt vielmehr die Konstanz von Messwerten eine Rolle. So ist ein Austausch der Messtechnik zu diesem Zweck mitnichten notwendig, bspw. bei Inline-Messsystemen in Offsetdruckmaschinen. XII // 01/2019

Dennoch ist die Umstellung auf den neuen Standard in Druckereien mit Investitionen verbunden, vor allem in der Druckvorstufe. Im Bereich Proofing ist es notwendig, neue Proofmedien einzusetzen, die ebenso wie die Auflagenpapiere optisch aufgehellt sind. Insbesondere während der Übergangszeit dürften überdies häufigere Medienwechsel notwendig werden. Gegebenenfalls wird auch ein kostenpflichtiges Update der Proofsoftware nötig. Bei den heute verbreiteten Proofdruckern mit Inline-Messgerät muss möglicherweise der Messkopf ausgetauscht werden, um die Messung mit der neuen Messbedingung M1 zu ermöglichen (“ILS20” gegen “ILS30”). Alternativ wäre ein entsprechendes Handmessgerät notwendig. Der Austausch der Beleuchtung dürfte hingegen inzwischen kein großes Thema mehr sein, da die neuen Röhren bereits seit knapp 10 Jahren am Markt sind und in den allermeisten Fällen bereits sukzessive ausgetauscht worden sind. Da der neue Standard im Druck eine leichte Anpassung der Tonwertzunahme vorsieht, wären für die Plattenbelichtung neue Soll-Kennlinien einzurichten. Die neuen Druckbedingungen wurden in mühevoller und weitgehend ehrenamtlicher Kleinarbeit von Druck- und Vorstufenfachleuten für die Allgemeinheit erarbeitet. Die größte Herausforderung ist nach den knapp vier Jahren Praxiserfahrung sicher die Frage, wie mit Kundendaten umzugehen ist. Kaum eine Druckerei wird es als praktikabel empfinden, mit separaten Kennlinien für den alten und neuen Standard zu agieren. Entweder wird nach den alten oder den neuen Richtlinien gedruckt. Kundendaten, die nach dem jeweils anderen Standard angelegt sind, müssten umgerechnet werden, was sinnvoll und sicher nur über eine Farbtransformation mit sog. Device-Link-Profilen möglich ist. Entsprechende Profile stellt die ECI kostenfrei zur Verfügung, auch Enfocus, Impressed oder callas liefern solche Profile. Deren Implementierung in den Workflow sollte wohlüberlegt und gut geplant sein. Auch wenn sich die neuen Druckbedingungen in der Praxis noch nicht flächendeckend durchgesetzt haben: sie funktionieren und werden von denjenigen Druckereien positiv bewertet, die sie bereits einsetzen. Für die Umsetzung des neuen PSO ist teilweise der Einsatz neuer Messtechnik nötig. Von einer vollständigen Ablösung der alten Messtechnik kann jedoch keine Rede sein. Sie möchten sich genauer mit diesem Thema befassen? Wir laden Sie herzlich ein, am 22.03.2019 an unserem Webinar “Was bringt der neue PSO?” teilzunehmen. Unsere Experten Udo Eickelpasch und Ronny Willfahrt werden Ihnen einen kompakten Überblick verschaffen und gerne Ihre Fragen beantworten. Info und Anmeldung: https://bit.ly/2RWRxg3 01/2019 // XIII